Stoßwellentherapien
Stoßwelle in der Behandlung des Urogenitaltrakts in unserer urologischen Praxis
Das piezoelektrische Stoßwelle-Wirkungsmechanismus
Auf einem Stoßwellenkopf angeordnete Piezokeramik-Elemente werden durch einen Hochspanungsimpuls, zeitgleich im Mikrometerbereich ausgedehnt und erzeugen einen Druckimpuls. Die Piezoelemente sind exakt zum Therapiefokus ausgerichtet. Durch präzise Fokussierung des Impulses kommt es im Behandlungsfokus zur Stoßwellenformierung.
Die extrakorporalen Stoßwellen sind als ein mechanischer Stressor zu verstehen. Dadurch können biochemische Veränderungen im Gewebe wie Genexpression der Zellen, Zelldifferenzierung, Zellmigration, Proteinsynthese Apoptose und Gewebenekrose entstehen und beeinflusst werden. Dieser Vorgang wird als Mechanotransduktion bezeichnet.
Behandlung des chronischen Beckenschmerzsyndrom (CPSS) mit Stoßwellen
Das chronische Beckenschmerzsyndrom (CPSS) bzw. die chronische abakterielle Prostatitis ist durch Schmerzen im Bereich des Beckenbodens gekennzeichnet. Weitere Symptome sind Miktionsbeschwerden ohne Nachweis eines Harnwegsinfekts. Bei einem Teil dieser Patienten besteht auch eine erektile Dysfunktion. Das CPPS tritt bei Männern jedes Alters auf, am häufigsten jedoch in der Altersgruppe zwischen 35 und 45.
Bei der Durchführung der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) werden die Prostata und der Beckenboden mit perineal applizierten Stoßwellen behandelt. In den Studien zeigte sich bei allen Patienten in der Gruppe der mit ESWT behandelten Patienten eine signifikante Verbesserung der Schmerzen, der Lebensqualität und der Miktionsbedingungen im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Auch die Erektionsfunktion war verbessert. Es wurden keine Nebenwirkungen beobachtet und die ESWT kann jederzeit wiederholt werden. Die ESWT stellt eine sichere und wirksame kurzfristige Behandlung des CPPS dar. Die klinische Wirkdauer liegt bei ca. 3 bis 6 Monate nach erfolgtem Therapiezyklus.
Behandlung der Interstitiellen Zystitis / des Blasenschmerzsyndroms mit Stoßwellen
Die interstitielle Zystitis (IC/BPS-Symptomen) ist ein mit Pollakisurie und Harndrang einhergehendes Schmerzsyndrom, an dem insbesondere Frauen erkranken. Als Ursache werden Infektion, alterierte Blasenschleimhautbarriere, exogene Noxen sowie neurologische, hormonelle, vaskuläre, allergische oder autoimmune Störungen vermutet. Die Diagnose beruht auf dem klinischen Erscheinungsbild mittels Mitführung eines Miktionsprotokolls und die Durchführung einer Zystoskopie, bei der nach Hydrodistension charakteristische Schleimhautblutungen und Einrisse auftreten. Als histologischer Indikator gilt eine Mastzellinfiltration. Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit oralen Therapeutika (unter anderem Analgetika, Antiallergika, Antidepressiva, Immunsuppressiva), mit intravesikalen Instillationen (zum Bespiel Gepan-Instill (Pentosanpolysulfat)) oder endourologisch (Distension, Laserkoagulation).
Die langjährige Erforschung und Entwicklung neuer länglicher Stoßwellenformen machen es nun möglich auch Zielgewebe, wie das Blasengewebe zu behandeln. In den letzten Jahren wurden auch Studien zur Behandlung der Interstitiellen Zystitis/ des Blasenschmerzsyndroms mit Stoßwellen publiziert. In allen Studien nach erfolgter Behandlung mit Stoßwellen kam es zu einer Schmerzreduktion im Bereich der Blase/des Beckens, Verbesserung der Miktionsbeschwerden und der Lebensqualität.
Der genaue molekulare Mechanismus und zugrundeliegende Wirkung von LiESWT auf der Blasengewebe sind noch unklar. Es wird bei den Patienten mit interstitieller Zystitis folgte Wirkungen durch LiESWT vermutet:
-Verminderung von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF-Vascular Endothelial Growth Factor) nach LiESWT-Therapie. Es wurde gezeigt, dass das Blasen-Urothel von IC/BPS-Patienten eine deutlich höhere Expression von VEGF aufweist, was dann eine Blasenfibrose induziert oder zu einer Reduktion der Blasenkapazität nach einer chronischen Entzündung führt. Darüber hinaus war das VEGF-Expressionsniveau mit dem Grad der Blasenschmerzen assoziiert.
-Unterdrückung der IL-4-Wirkung nach LiESWT-Therapie. Des Weiteren wird in den Studien berichtet, dass etwa 35 % der Patienten mit interstitieller Zystitis an irgendeiner Art von Autoimmunerkrankung litten, was mit einer Überproduktion von IL-4 verbunden ist. IL-4 wird nach einer Therapie durch LiESWT unterdrückt. Es wird vermutet, dass liESWT Auswirkungen auf die Immunmodulation der Mastzellen durch die IL4-Reaktion haben könnte.
-Erhöhte Interleukin-9-Werte nach LiESWT-Therapie. IL-9 ist ein von CD4 + -Helferzellen sezerniertes Zytokin, das eine Vielzahl von hämatopoetischen Zellen reguliert, einschließlich Stimulierung der Zellproliferation und Verhinderung von Apoptose. Die aktuellen Ergebnisse zeigten, dass Urin IL-9 erhöhte sich nach einer LiESWT-Behandlung.
Alle obengenannten Mechanismen führen zu entzündungshemmenden und antiapoptotischen Wirkungen nach erfolgter LiESWT-Therapie.
Behandlung der Überaktive Blase mit Stoßwelle
Die überaktive Blase ist eine klinisch definierte Erkrankung mit den Speichersymptomen imperativer Harndrang, Pollakisurie und Nykturie mit oder ohne Dranginkontinenz, ohne dass dabei eine offensichtliche lokale, metabolische, neurologische oder endokrine Pathologie zugrunde liegt.
Es wird angenommen, dass die Stoßwellentherapie der Harnblase zu einer Verbesserung der Blasenwandkomposition, Aktivierung der Blasenmuskelregeneration, verbesserte Kontraktilität und Vaskularisierung der Blase und Harnröhrenschließmuskel, Verbesserung der Blaseninnervierung, Aktivierung der Blasenmuskelregeneration, Verbesserung der Verschlussfunktion der Harnröhre führt.
Bis heute ist die klinische Wirksamkeit von LiESWT bei Patienten mit überaktiver Harnblase in einigen aktuellen Studien untersucht worden. Die vorliegenden Untersuchungen weisen 8 Wochen nach LiESWT eine Abnahme der Symptome bei der überaktiven Harnblase auf. Des Weiteren zeigen sich Verbesserung der urodynamischen Parameter z. B. ausgeschiedenes Urinvolumen, Zunahme des Harnstrahls, Verminderung der Restharnbildung, Erhöhung der funktionellen Blasenkapazität, sowie eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität.
Behandlung der unteraktiven Harnblase mit Stoßwelle:
Die schlaffe Blase (unteraktive Detrusorfunktion) entsteht oft nach akuten Rückenmarksverletzungen oder bei Schädigungen der peripheren Nerven z. B. bei Diabetes mellitus oder Operationen im Beckenbereich. In Folge kommt es zur fehlenden/ verminderten Kontraktionsfähigkeit der Blasenmuskulatur, sowie Blasenempfindung, atonische Blase, vermehrter Restharnbildung, Auftreten von rezidivierenden Harnwegsinfektionen und zum akuten Harnverhalt.
In zwei Grundlagenstudien im diabetischen Rattenmodell mit unteraktiver Blase oder Blasendysfunktion und Harninkontinenz ist nach erfolgter Stoßwelle der Harnblase zu einer Verbesserung der Blasenfunktion gekommen. Der Wirkmechanismus scheint eine Wiederherstellung der Blasen- und Harnröhrenstruktur und -funktion mittels Vaskularisierung der Blase und Neuroregeneration im Bereich der Harnröhre durch Li-ESWT zu sein.
Behandlung der Belastungsinkontinenz mit Stoßwelle:
Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz gehören zu den häufigsten Formen der Harninkontinenz. Eine Belastungsinkontinenz liegt dann vor, wenn der Beckenboden geschwächt ist und ein plötzlicher Druckaufbau im Bauchraum nicht standhalten kann. Der Druck kann durch größere körperliche Belastungen entstehen, oder kräftiges Husten oder ausgelassenes Lachen können zu einem ungewollten Urinverlust führen.
Eine aktuelle Studie zeigte, dass es am Ende der Behandlung mit Stoßwelle zu einer signifikanten Verbesserung der Restharnbildung, funktionellen Blasenkapazität sowie zu einer Abnahme von Urinverlust und Drangsymptomatik kommt. Als Wirkmechanismus wird die Regeneration des Beckenbodengewebes, eine erhöhte Harnröhrenmuskelregeneration mit Wiederherstellung der Harnröhrenverschlussfunktion, geförderte VEGF-Expression und Angiogenese, angegeben.
Behandlung der Vulvodynie mit Stoßwelle:
Die Vulvodynie ist eine Erkrankung, an der viele Frauen leiden. Typische Symptome sind Schmerzen, Stechen, Juckreiz sowie Brennen im Bereich der Vulva, die den Venushügel, die Schamlippen und Klitoris umfasst. Manche beschreiben ihre Empfindungen, als würden sie mit elektrischen Stromstößen, Nadeln oder einem Messer traktiert. Oft lassen sich keine gynäkologischen oder dermatologischen Ursachen für die Beschwerden finden.
Eine am Introitus applizierte Stoßwellentherapie niedriger Intensität wirkt sich positiv auf die Schmerzlinderung und die sexuelle Funktion der betroffenen Frauen laut einer aktuellen Studie aus. Die häufigste Ursache für Vulvodynie ist eine chronische lokale Entzündung. Die Stoßwellen mit niedriger Intensität beeinflussen die Gewebemechanik und können die Freisetzung von Wachstumsfaktoren und entzündungshemmenden Faktoren (eNOS und NF-kB) auslösen. Diese Faktoren können die Angiogenese und Geweberegeneration induzieren und so den Entzündungsprozess positiv regulieren und auch zu einer Schmerzlinderung führen.